Arbeitskräfteradar 2023
Die Ergebnisse einer jährlichen österreichweiten Unternehmensbefragung im Auftrag der WKO zeigen, dass – trotz eines leichten Rückgangs seit 2022 – der Arbeits- und Fachkräftemangel in Österreich im Jahr 2023 auf einem sehr hohen Niveau liegt, welcher im überwiegenden Teil der österreichischen Betriebe spürbar wird. Dadurch wird die Arbeitsbelastung der Unternehmerinnen und Unternehmer, ihrer Familienangehörigen und der aktuellen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter erhöht, die Qualität der Leistungserbringung und die Zufriedenheit der Kundinnen und Kunden gefährdet und es führt auch zu deutlichen Einbußen des wirtschaftlichen Erfolgs der österreichischen Unternehmen.
Trotz einer konjunkturellen Abschwächung, befindet sich der Arbeits- und Fachkräftemangel in Österreich auch 2023 auf einem (ebenfalls historisch betrachtet) sehr hohen Niveau. Hochgerechnet auf Österreich kann zum Befragungszeitpunkt von einem geschätzten Fachkräftebedarf (offene Stellen) von rund 210.000 Personen (bezogen auf alle Mitgliedsbetriebe der WKO) ausgegangen werden. Weiterhin muss von einem außerordentlich hohen Arbeits- und Fachkräftemangel gesprochen werden, der sich in den nächsten Jahren aufgrund der demografischen Entwicklung verstärken wird. 72 Prozent der befragten Betriebe erwarten bzw. befürchten in den nächsten 3 Jahren eine weitere Verschärfung bzw. Zuspitzung des Arbeits- und Fachkräftemangels in ihrer Branche.
Insgesamt gaben 82 Prozent der im Auftrag der Wirtschaftskammer Österreich (WKO) befragten Unternehmen (Mitgliedsbetriebe) an, dass sie aktuell vom Mangel an Arbeits- und Fachkräften (zumindest in irgendeiner Form) betroffen sind (Befragungszeitpunkt: April / Mai 2023, n = 5.124). 29 Prozent der Betriebe leiden unter einem sehr starken, weitere 33 Prozent unter einem eher starken Arbeits- und Fachkräftemangel. Besonders intensiv erlebt wird der Mangel an Arbeits- und Fachkräften im Tourismus (72 Prozent sehr oder eher stark), bei der Herstellung von Nahrungsmitteln (71 Prozent) und bei der Herstellung von elektrischen und elektronischen Geräten (69 Prozent) sowie im handwerklich-technischen Bereich insgesamt bzw. im Transport- und Verkehrswesen. In 63 Prozent der befragten Betriebe gab es zum Befragungszeitpunkt offene Stellen für Fachkräfte.
Auf Ebene der Bildungsabschlüsse bestehen die häufigsten und größten Rekrutierungsschwierigkeiten bei Lehrabsolventinnen und Lehrabsolventen, nicht zuletzt, weil die absolute und relative Zahl an Erwerbspersonen mit Lehrabschluss seit Jahren rückläufig ist. Dies liegt aber nicht an einer mangelnden Ausbildungsbereitschaft der österreichischen Betriebe. Im Gegenteil: Mehr als die Hälfte (52 Prozent) der Betriebe würde mehr Lehrlinge ausbilden, wenn sie dafür ausreichend geeignete und interessierte Jugendliche finden könnten. Unter jenen Betrieben, die grundsätzlich bereits Lehrlinge ausbilden, wollten sogar 68 Prozent mehr Lehrlinge ausbilden.
Von den Auswirkungen des Arbeits- und Fachkräftemangels sind in erster Linie die Firmenchefs und deren Familienangehörige in Form einer Zusatzbelastung (82 Prozent stark oder eher zutreffend) sowie die aktuellen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter betroffen, welche ebenfalls in Form einer höheren Arbeitsintensität (80 Prozent) und mehr Überstunden (65 Prozent) die mangelnde Personalausstattung zu kompensieren haben. In rund 56 Prozent der Betriebe, welche vom Mangel an Arbeits- und Fachkräften zum Befragungszeitpunkt betroffen waren, hat dieser zudem auch zu Umsatzeinbußen geführt.
Als wichtigste Maßnahmen zur Verringerung des Arbeits- und Fachkräftemangels erachten die befragten Unternehmen, die von einem solchen betroffen sind, eine Erhöhung der Beschäftigungsanreize für Arbeitslose sowie eine Attraktivierung der Lehrlingsausbildung. Eine hohe Bedeutung wird des Weiteren der Lehrstellenförderung für Personen über 18 Jahre sowie der Ermöglichung eines flexiblen Pensionsübertritts eingeräumt, um Ältere länger (z.B. als Teilzeitbeschäftigte) im Betrieb halten zu können. Als wichtig empfinden die befragten Betriebe auch eine Vereinfachung der Beschäftigung von Arbeitskräften aus Nicht-EU-Staaten (sog. "Drittstaaten").
Da zu befürchten ist, dass sich der Arbeits- und Fachkräftemangel allein aus demografischen Gründen in den nächsten Jahren weiter verschärfen wird, besteht dringender Handlungsbedarf. Denn nicht nur die Position Österreichs bei internationalen Investitions- und Standortentscheidungen, sondern der gesamte langfristige und nachhaltige Erfolg des Wirtschaftsstandortes Österreich – inklusive der Finanzierung der Sozialsysteme – werden davon abhängen, inwieweit es gelingt, einem noch größeren Arbeits- und Fachkräftemangel in Österreich Einhalt zu gebieten.