Das Regierungsgebäude am Stubenring
Die Wende zum 20. Jahrhundert stellt ein spannendes Stück österreichischer Geschichte dar. In diese Zeit fällt der Bau der Wiener Ringstraße. Die Architekten des runden Prachtboulevards errichteten im damals modischen Stil des Historismus einen Streifzug durch die gesamte kunsthistorische Baugeschichte.
Räumlich und zeitlich bildete der Bau des "k. u. k. Reichskriegsministerialgebäudes" den Abschluss der Baumaßnahmen an der Ringstraße. Gebaut vor dem Krieg und für den Fall eines Krieges, überstand es zwei Weltkriege. Gesellschaftliche, kulturelle und politische Veränderungen prägten es und gingen von ihm aus.
Das ehemalige Kriegsministerium, das heutige Regierungsgebäude am Stubenring, bedeckt eine Grundfläche von 13.815 m², umschließt neun Höfe, kostete ohne Grundankauf 12.726.000 Kronen, beschäftigte 238 Firmen und benötigte eine Bauzeit von knapp vier Jahren. In einer feierlichen Eröffnungszeremonie durch Kaiser Franz Joseph I. wurde es am 8. Juni 1913 eingeweiht und seiner Bestimmung übergeben.
Ein Symbol für Tradition
Im Rahmen der Stadterweiterung und der damit einhergehenden Verbauung des Ringes wurde ein Wettbewerb zur Erbauung des Kriegsministeriums ausgeschrieben, bei dem unter anderem Adolf Loos und Otto Wagner Entwürfe einreichten.
Um die Jahrhundertwende prallten zwei diametral unterschiedliche Stilrichtungen aufeinander. Historismus und Sezession, Tradition und Moderne schieden die Geister und sorgten für reichlich Gesprächsstoff. Die Stilrichtung des Historismus wurde zum Symbol für Tradition und Kontinuität, wohingegen die sezessionistische Strömung gerade in konservativen Kreisen für Aufruhr und Ablehnung sorgte.
Erzherzog Franz Ferdinand, der Stellvertreter des Kaisers im Obersten Armeekommando leitete mit seiner Militärkanzlei die Errichtung des Kriegsministeriums. Eine mehrköpfige Kommission wählte den Entwurf "Maria Theresia" von Ludwig Baumann als Siegerprojekt aus. Im Gegensatz zu den sezessionistischen Entwürfen von Wagner und Loos ist das ehemalige Kriegsministerium ein "klassisch" historistisches Gebäude. Die lang gestreckte Fassade mit einer Länge von 210 Metern wurde mit Pilastern, Reliefs, dem Doppeladler und etlichen Skulpturen verziert.
Figurenschmuck
Das Radetzkydenkmal
Das Reiterdenkmal vor dem Haus wurde bereits bei der Planung in das optische Gesamtkonzept einbezogen und stellt Johann Joseph Wenzel Graf Radetzky von Radetz (1766-1858) dar. Geschaffen wurde diese Plastik bereits 1892 vom Akademischen Professor Caspar von Zumbusch.
Der Doppeladler
Besondere Bedeutung hat der 40 Tonnen schwere Doppeladler mit einer Flügelspannweite von 15 Metern von Wilhelm Hejda. Er symbolisiert die bewaffnete Macht der Donaumonarchie. Die Inschrift unter dem Adler gibt Aufschluss auf seinen Erbauer und das Entstehungsjahr der Plastik: Die vier bewaffneten Puttigruppen an der Attika stammen von Emanuel Pendl.
Die Soldatenköpfe
Eine viel beachtete Besonderheit an der Fassade des Kriegsministeriums sind die Soldatenköpfe um das Gebäude. Es handelt sich dabei um sogenannte Schlusssteinköpfe, die in den Jahren 1911-1912 von Wilhelm Hejda unter dem Motto "Eroberer" ausgeführt wurden. Bei den Soldatenköpfen handelt es sich nicht um personifizierte Figuren, sie sollen vielmehr die Vielfältigkeit der Uniformen und damit auch die Potenz der k. u. k. Armee in ihrer ruhmreichen Zeit darstellen.
Carl Szokoll und der Widerstand gegen den Nationalsozialismus
Während des Zweiten Weltkriegs war in diesem Haus das Wehrkreiskommando XVII untergebracht, in dem Major Carl Szokoll und seine Getreuen ihren Dienst versahen und dabei jede Gelegenheit nützten, den Widerstand gegen das Hitler-Regime zu organisieren.
"Operation Walküre", das gescheiterte Attentat auf Hitler 1944, und vor allem "Operation Radetzky", die Vorbereitung einer kampflosen Übergabe Wiens 1945 an die Sowjetarmee, sind untrennbar mit dem Regierungsgebäude und dem Namen Szokoll verbunden.
Mehr zu Carl Szokoll und dem österreichischen Widerstand gegen das NS-Regime im Regierungsgebäude
Österreichische Radiogeschichte
Mit dem ehemaligen Kriegsministerium verbindet man auch die Radiogeschichte Österreichs. Telefon, Radio und Telegraphie waren wichtige Kommunikationsmittel, besonders für militärische Zwecke in Zeiten der latenten Kriegsgefahr. Die Radiotelegraphie war in der Monarchie räumlich und technisch mit der Marinesektion verbunden.
Entwickelt, um die Verbindung mit den Schiffen der Kriegsmarine aufrecht zu erhalten, suchte man nach dem ersten Weltkrieg nach einer zivilen Verwendung der Anlagen. Somit wurde am 14. Juli 1924 die RAVAG gegründet. In weiterer Folge gab es ein tägliches Musik- und Vortragsprogramm. 1926 verließ die RAVAG mit ihrem "Stubenringsender" das Kriegsministerium und übersiedelte in die Johannesgasse, wo das erste Funkhaus entstand.
Nach dem 2. Weltkrieg
Das Kriegsministerium überstand den ersten Weltkrieg unbeschadet, im zweiten Weltkrieg wurde es durch mehrere Bombentreffer und eine Munitionsexplosion schwer beschädigt. Die tief greifenden Sanierungsarbeiten wurden 1952 beendet und ermöglichten die Besiedelung des Gebäudes mit dem Bundesministerium für Land- und Forstwirtschaft, dem Sozialministerium und dem Bundesministerium für Handel und Wiederaufbau.
Besonders die Zeit ab 1990 ist geprägt von umfangreichen baulichen Aktivitäten, die eine Effizienzsteigerung, Arbeitserleichterung, Kostenersparnis und Modernisierung für Bürger/innen und Mitarbeiter/innen bedeuten.
Durch eine schrittweise und ständige Modernisierung und Adaptierung - unter Wahrung der historischen Substanz - soll dieses Haus ein Symbol für Tradition und Moderne werden.
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