Aktuelles aus dem Tourismus Ein Interview mit Staatssekretärin Susanne Kraus-Winkler
In Anbetracht einer möglichen Energieknappheit wird gerade viel über den Nutzen der jeweiligen Branchen diskutiert. Welchen Beitrag kann der Tourismus für den Wirtschaftsstandort Österreich leisten?
Wir befinden uns in einer herausfordernden Zeit, in der jeder aufgefordert ist, seinen Beitrag zu leisten. Der Tourismus stellt einen wichtigen Wirtschaftszweig für Österreich dar, vor allem auch im alpinen Raum, wo der Tourismus für Arbeitsplätze und Wohlstand sorgt.
Um faktenbasiert zu diskutieren, präsentierten wir bei einer gemeinsamen Pressekonferenz mit dem Umweltbundesamt und Branchenvertreter/innen, Fakten zum Energieverbrauch im Tourismus. Demnach liegt der Anteil des Tourismus (Anm.: Beherbergung, Gastronomie, Seilbahnen und Pistenpräparierung) laut Umweltbundesamt bei nur 1,55 Prozent des Österreichischen Gesamtenergiebedarfs, davon entfallen 0,9 Prozent auf den Wintertourismus.
Der Tourismus in Österreich legt schon seit längerer Zeit auch großen Wert auf ökologische Nachhaltigkeit: In Beherbergung und Gastronomie werden laut aktueller Erhebung des Umweltbundesamts bereits 54 Prozent erneuerbarer Strom verwendet. Somit liegen wir hier jetzt schon über dem Zielkorridor des Nationalen Energie- und Klimaplans für 2030. Außerdem konnte zwischen 2008 und 2019 ebenso 54 Prozent des Energieverbrauchs pro Nächtigung eingespart werden. Darüber hinaus ist sich jeder im Tourismus seiner weiteren Verantwortung für energieschonendes Verhalten extrem bewusst. Dies einerseits natürlich auch aus rein wirtschaftlicher Sicht, aufgrund der derzeit hohen Energiepreise, andererseits wegen der moralischen Verpflichtung, gemeinsam diese Herausforderungen zu überwinden.
Weiterführende Infos zum Energieverbrauch im Tourismus finden Sie hier.
Welche Schritte setzt das Staatssekretariat gegen die Teuerungen?
Als Staatssekretärin bin ich einem Minister zugeordnet. In diesem Rahmen bringen wir uns für die Bedürfnisse der Branche intensiv ein. So werden, neben den Haushalten, die mit dem Antiteuerungspaket und der Strompreisbremse entlastet wurden, nun auch die österreichischen Unternehmen mit dem Energiekostenzuschuss unterstützt. Das dafür erforderliche Budget wurde, um ausreichend Hilfe zu gewährleisten, von € 450 Mio. auf € 1,3 Mrd. erhöht. Dass es sich dabei nur um eine Abfederung und keine Kompensation handeln kann, ist aber Realität. Wichtig wäre, dass die Strom- und Gaspreisfindung auf EU-Ebene endlich an die jetzige Situation angepasst wird und dadurch auch die Inflationsrate, die zu rund 60 Prozent von dieser Energiepreiskrise in Europa getrieben ist, wieder auf ein wirtschaftlich bewältigbares Maß absehbar sinkt. Wir müssen uns aber auch klar machen, dass die Energiepreise und somit auch die Preise generell wahrscheinlich nicht mehr auf das Niveau vor 2022 zurückkehren werden. Dennoch müssen wir an den Tourismus glauben und alles daran setzen, solch eine schwierige Zeit der Veränderung nach zwei Jahren mit Corona-Lockdowns, irgendwie zu bewältigen.
Welche Maßnahmen werden auf EU-Ebene gesetzt, um gegen die Energiekrise anzukommen?
Am 20. und 21. Oktober diskutierte der Europäische Rat unter anderem über die Energiekrise. Es wurde vereinbart, dass Anstrengungen zur Verringerung der Energienachfrage, Vermeidung von Rationalisierungen, Sicherung der Versorgung und Preissenkung beschleunigt werden müssen. Dazu wurden von der Kommission neun zusätzliche Maßnahmen formuliert:
Dazu zählen unter anderem freiwillige gemeinsame Gaseinkäufe, ein befristeter EU-Rahmen zur Begrenzung des Gaspreises für die Stromerzeugung, eine Verbesserung der Funktionsweise der Energiemärkte, sowie eine Mobilisierung der einschlägigen Instrumente auf nationaler und EU-Ebene.
In nächsten Schritten soll die Kommission weitere Fortschritte zu einer vollständigen Energieunion auf den Weg bringen. Ebenso soll vom Europäischen Rat eine Verordnung über eine bessere Koordinierung der Gaseinkäufe, den grenzüberschreitenden Gasaustausch und verlässliche Preisbenchmarks beschlossen werden.
Weitere Informationen stehen in dem Dokument vom Europäischen Rat zur Verfügung.
Beim Stakeholdergipfel zum touristischen Arbeitsmarkt wurde mit den Sozialpartner/innen und relevanten Branchenvertreter/innen über die Zukunft des touristischen Arbeitsmarktes diskutiert. Was waren die Ergebnisse des Treffens?
Auf dem Arbeitsmarkt findet gerade ein Paradigmenwechsel statt: Mit September waren 221.213 unselbstständig Beschäftigte im Tourismus gemeldet. Die offenen Stellen lagen im September bei 12.936, zeitgleich sind mit zu Ende gehender Sommersaison im September 2022 doppelt so viele Personen arbeitslos gemeldet (25.929 ohne Schulungsteilnehmer/innen). Hier braucht es eine strukturelle Lösung. Aus diesem Grund holten wir Sozialpartner/innen und weitere Branchenvertreter/innen zu einem gemeinsamen Stakeholdergipfel an einen Tisch und definierten entlang von den drei Handlungsfeldern "Attraktivieren, Mobilisieren, Qualifizieren" die nächsten Schritte. So müssen unter anderem die Arbeitsbedingungen in vielerlei Hinsicht zeitgemäß attraktiviert werden. Arbeitssuchende müssen mit Berufsinformations- und neuen Ausbildungsangeboten sowie interessanten Anreizen mobilisiert werden und schlussendlich geht es darum, Mitarbeiter/innen besser zu qualifizieren und Ausbildungsmaßnahmen auf allen Ebenen, auch was das Digitalisierungs-Know-How betrifft, voranzutreiben.
Ein weiterer Erfolg für den touristischen Arbeitsmarkt gelang im Nationalrat durch die erfolgreiche Umsetzung einer erleichterten Antragstellung der Rot-Weiß-Rot-Karte. Die neue Regelung hilft vor allem Stammsaisonniers und Fachkräften in Mangelberufen künftig dauerhaften Arbeitsmarktzugang zu erlangen.
Weiters wird das Bewilligungsverfahren der Rot Weiß Rot Karte durch die Plattform "Work in Austria" beschleunigt und rechtmäßig Eingereiste können direkt im Inland den Aufenthaltstitel beantragen. Beides stellt eine wichtige Erleichterung dar und ermöglicht Personen schneller in den österreichischen Arbeitsmarkt einzusteigen.
Für den Arbeitsmarkt sind die Nachwuchskräfte von essentieller Bedeutung. Was wird von politischer Seite unternommen, um mehr Menschen für die Branche zu begeistern?
Derzeit werden rund 8.000 Schüler/innen an den österreichischen Tourismusschulen ausgebildet. 2010 waren es noch knapp über 10.000. Dies liegt unter anderem am demografischen Wandel, am zu Unrecht schlechten Image des Tourismus als Arbeitgeber, aber auch an einem Wertewandel unserer Gesellschaft, in der der Dienstleistungssektor an Attraktivität eingebüßt hat.
Um diesem Trend entgegenzuwirken, gibt es Lösungsansätze, wie klare Abgrenzung zu anderen Schularten, Schärfung des Schulprofils, Aufwertung der touristischen Ausbildung, Neugestaltung des Lehrplans, Lehrerfortbildung und weitere Attraktivierungsmaßnahmen sowie eine bessere öffentliche Wahrnehmung. Das Arbeits- und Wirtschaftsministerium unterstützt hier die Vorhaben der Tourismusschulen beim zuständigen Wissenschaftsministerium.
Von der Ausbildung bis hin zu den Betrieben ist hier jeder gefordert, junge Menschen für diese spannende Aufgabe zu begeistern und nachhaltig im Berufsfeld zu halten, denn die touristisch Ausgebildeten - egal ob Tourismusschule oder Lehrberuf - sind die Touristiker/innen von morgen.
Wie ist der Ausblick für die bevorstehende Wintersaison?
Laut einer aktuellen Potentialstudie der Österreich Werbung, die im September in den zehn wichtigsten Herkunftsmärkten durchgeführt wurde, zeigt sich deutlich, dass die Lust und Zeit für einen Winterurlaub, in allen befragten und für Österreich relevanten Märkten, ausreichend vorhanden sind. Die Urlaubslaune ist im Vergleich zur letzten Wintersaison sogar gestiegen. Es ist davon auszugehen, dass die derzeitige weltwirtschaftliche Situation, die von hoher Inflation geprägt ist, zwar Einfluss auf das Buchungsverhalten hat, die Kurzfristigkeit der Buchungen hat sich weiter verstärkt und eine höhere Preissensibilität ist erwartungsgemäß zu erkennen, aber dies hält dennoch nicht vom klassischen Winterurlaub abhält. Die Anzahl der festen Österreich-Planer/innen, also jenen Menschen, die höchstwahrscheinlich einen Winterurlaub in Österreich planen, ist mit 17 Millionen jedoch wieder auf Vor-Corona-Niveau. Somit hoffen wir, aus heutiger Sicht, auf eine gute Wintersaison. Zudem ist ein Drittel der Winterreiseplaner/innen im kommenden Winter dazu bereit, mehr als im vergangenen Jahr auszugeben. Die Stimmung unter den Betrieben ist auf Grund der Vorreservierungen derzeit zuversichtlich und wir hoffen, dass die bevorstehende Wintersaison somit trotz aktueller Herausforderungen erfolgreich sein wird.
Die gesamte Winterpotenzial-Studie steht zum Download zur Verfügung.
Welche Rolle spielt die Digitalisierung im heimischen Tourismus?
Aktuell durchläuft die Branche einen Strukturwandel, hin zum Qualitätstourismus. Umso wichtiger wird die Wertschöpfung pro Gast, wobei hier gerade die Digitalisierung erhebliche Optimierungspotenziale birgt. Aus diesem Grund setzte ich mich gemeinsam mit Florian Tursky, Staatssekretär für Digitalisierung, dafür ein, den "Digitalen Aktionsplan Tourismus", entlang folgender drei wichtiger strategischer Handlungsfelder weiterzuentwickeln:
Erstens gilt es, die Wertschöpfung durch Datennutzung zu verbessern. Diesbezüglich arbeitet die Österreich Werbung bereits an einem Aufbau eines Daten-Service-Ökosystems (Data Space Tourism), wo erste Use-Cases erprobt werden, wie z.B. Tools für Auslastungs-, Buchungs- und Preisprognosen, Besucherstromlenkung oder automatisierte Beantwortungen von Gästeanfragen. Hier geht es vor allem auch ums Vernetzen von Daten, raus aus dem veralteten Datensilodenken, rein in eine Werte schaffende Datenvernetzung: "Vernetzung ist Gold"!
Das zweite Handlungsfeld des digitalen Aktionsplans Tourismus ist die Verbesserung digitaler Skills innerhalb der Branche. Darunter kann man zum Beispiel Data Stewards einordnen, die in den touristischen Destinationen aktiv positioniert werden, oder die neuen Lehrpläne für Tourismusschulen mit starkem Fokus auf Digitalisierungswissen.
Als dritte Stoßrichtung wird im digitalen Aktionsplan Tourismus die Optimierung digitaler Verwaltungsdienstleistungen identifiziert, wodurch künftig spürbare Verwaltungsvereinfachungen umgesetzt werden sollen. Dazu zählt etwa das "Digitale Gästeblatt", also die Digitalisierung des behördlichen Meldevorganges unserer Gäste. In enger Abstimmung mit dem Staatsekretariat für Digitalisierung und den Bundesländern, sollen im nächsten Jahr ein umsetzbarer Projektfahrplan präsentiert und Pilotierungsphasen vorbereitet werden.
Welche besonderen Ereignisse ergaben sich ansonsten im letzten Monat?
Der Welttourismustag am 27. September war ein Grund zur Freude. Im Vergleich zur Weltwirtschaft ist die Tourismuswirtschaft rund doppelt so schnell gewachsen und damit einer der am schnellsten wachsenden Wirtschaftszweige. (Anm.: Von 1999 – 2019 sind die weltweiten Tourismus-Ausgaben um 169 Prozent gestiegen, während es beim Bruttoinlandsprodukt nur 83 Prozent waren.) Dadurch, sowie durch ihren Sektor-übergreifenden Charakter, hat die Brache das Potenzial Wohlstand und nachhaltiges Wirtschafswachstum auf allen Ebenen und in allen Regionen zu fördern.
Ein besonderer Moment war für mich Petra Stolba das goldene Ehrenzeichen der Republik Österreich verleihen zu dürfen. Österreich gewann in ihrer 15-jährigen Zeit als Geschäftsführerin der Österreich Werbung, neben internationalem Ansehen mehr als 100 renommierte nationale und internationale Preise. Neue Märkte wurden erschlossen und die Wertschöpfung stieg von € 22 Mrd. auf über € 38 Mrd. Der Tourismus in Österreich ist eine Erfolgsgeschichte, zu der Petra Stolba maßgebend beigetragen hat. Zudem fand mit der Ladies Lounge, Frauen empowerndes Format ausgerichtet von Martha Schultz, WKÖ-Vizepräsidentin und Bundesvorsitzende von Frau in der Wirtschaft, ein interessantes Treffen von erfolgreichen Frauen im Gespräch statt.