Interview mit Tourismus-Staatssekretärin Susanne Kraus-Winkler
Ein ausführliches Interview mit Staatssekretärin Susanne Kraus-Winkler zur tourismuspolitischen Bilanz 2023 und den Arbeitsschwerpunkten im Jahr 2024.
Frau Staatssekretärin, vor kurzem wurden die Ganzjahreszahlen zu 2023 veröffentlicht. Welche Bilanz ziehen Sie?
Österreichs Tourismus ist auch 2023 weiter gewachsen und liegt mit 151,14 Millionen Nächtigungen nur ein Prozent hinter den Nächtigungszahlen des sehr guten Jahres 2019. Die Inlandsnachfrage ist zu alter Stärke zurückgekehrt und bestätigt, dass ein Österreich-Urlaub für den österreichischen Gast ein Fixpunkt ist. Auch die Auslandsnachfrage hat um 13,5 Prozent zugelegt und ist mit einem Anteil von 74 Prozent so international wie vor der Pandemie. Die Reiselust ist trotz Herausforderungen wie Teuerungen, Kurzfristigkeit und Preissensibilität ungebrochen. Das bestätigt das sehr gute Preis-Leistungs-Angebot in allen Preis- und Angebotskategorien in Österreich.
Tourismuspolitik hat die Aufgabe, bestmögliche Rahmenbedingungen für die Branche zu schaffen. Welche Meilensteine konnten Sie im vergangenen Jahr erreichen?
Zum einen haben wir die Geschäftsführung der Österreich Werbung mit Astrid Steharnig-Staudinger neu besetzt. Außerdem wurde die Modernisierung der ÖW mit den neugeschaffenen Statuten bzw. einem Aufsichtsrat statt eines Präsidiums fortgesetzt. Ebenso haben wir die gewerbliche Tourismusförderung mit einem eigens geschaffenen Nachhaltigkeitsbonus nun komplett auf Nachhaltigkeit in allen drei Dimensionen ausgerichtet. Damit haben wir die beiden zentralen tourismuspolitischen Steuerungsinstrumente auf ein nachhaltig-stabiles Fundament gestellt.
Einen weiteren wichtigen Schritt, um Österreich zu einer der nachhaltigsten Destinationen der Welt zu machen, haben wir mit dem 4-Säulen-Modell gesetzt: Diese besteht neben der gewerblichen Tourismusförderung aus der nationalen Zertifizierungsstrategie, der nunmehr jährlichen Messung der Tourismusakzeptanz in der Bevölkerung und dem ESG Data Hub, der Nachhaltigkeit noch besser messbar macht.
Im Bereich des Arbeitsmarkts konnten wir das Saisonnierkontingent auf 4.295 Plätze anheben und auch die Reform bei der Rot-Weiß-Rot-Karte greift sehr gut. Im Jahr 2023 gab es im Tourismus 1.064 RWR-Karten – mehr als dreimal so viele wie im Jahr 2022. Mit einer Awarenesskampagne tragen wir zusätzlich dazu bei, das Image der touristischen Berufe zu steigern und schaffen mehr Bewusstsein für die Bedeutung des Tourismus als Wirtschaftsfaktor. Aufgrund der vielfach positiven Resonanz werden wir die Kampagne auch in diesem Jahr fortführen.
Worauf setzen Sie 2024?
Mein Schwerpunkt für dieses Jahr ist die Tourismusakzeptanz. Dabei kommen der Politik zwei Hauptaufgaben zu: Sichtbarmachen der positiven Aspekte von Tourismus und ein verantwortungsbewusster Umgang mit Sorgen und Kritik. Das positive Miteinander von Bevölkerung und Tourismus ist die wichtigste Erfolgsvoraussetzung für einen nachhaltig erfolgreichen Tourismus der Zukunft.
Wir haben deshalb die Messung der Tourismusakzeptanz überarbeitet: Zukünftig werden über 10.000 Menschen jährlich befragt, das ermöglicht auch regionale Analysen. Durch die novellierte "Tourismus-Nachfrage- und Akzeptanzstatistik-Verordnung" stellen wir zudem sicher, dass eine entsprechende Tourismusakzeptanzmessung auch für die Folgejahre fix verankert ist. Zusätzlich wird die Methodik der Befragung optimiert. Bislang gab es lediglich einen Pilotversuch für die Jahre 2020 bis 2023, für den jeweils bis zu 2.500 Personen befragt wurden. Wichtige Neuerungen, mit der wir eine Vorreiterrolle auch im europäischen Diskurs erreichen wollen.
In die Tourismusakzeptanz spielt auch das Thema "unbalanced tourism" hinein. Wie wollen Sie hier unterstützen?
Gerade letzten Sommer haben wir sehr deutlich gesehen, wie herausfordernd es in einigen wenigen Regionen Österreichs sein kann, wenn es ein Ungleichgewicht zwischen Tourismus und den Wünschen der Bevölkerung gibt – hier braucht es eine Balance und ein verständnisvolles Miteinander. Derzeit arbeiten wir im Tourismus-Staatssekretariat daran, internationale Lösungsansätze aufzubereiten, um diese regionalen Entscheidungsträgern in Österreich als Unterstützungstool zur Verfügung zu stellen. Gleichzeitig wollen wir einen Fördercall ausschreiben, um die Konzeption individueller Maßnahmen gegen "unbalanced tourism" zu unterstützen.
Grundlagenforschung im Tourismus findet in Österreich nur einen geringen Niederschlag. Was planen Sie, um dies zu ändern?
Es gibt zwar das Institut für Freizeit und Tourismusforschung oder Tourismus Wissen quarterly und viele kleinere Initiativen, wir brauchen hier aber einen besseren Überblick. Mit einer Tourismus-Forschungslandkarte wollen wir darstellen, welche Institutionen zum Tourismus forschen. Ziel ist es, dass sich die Forschungscommunity besser vernetzen kann und damit auch vorhandene Synergiepotenziale besser nutzen können. Mit verstärkter Forschung können wir sowohl der Branche als auch der Bevölkerung einen Mehrwert bieten. Das Ergebnis der Forschungslandkarte wollen wir dann Mitte des Jahres präsentieren.
Der Tourismus ist in Österreich kleinstrukturiert und soll gleichzeitig die grüne Transformation schaffen. Wie kann das gelingen?
Die gewerbliche Tourismusförderung wurde in den letzten Jahren gut angenommen, vor allem von größeren Betrieben. Um auch die kleinen Betriebe stärker mitzunehmen, wollen wir die Untergrenze für Investitionen von derzeit 500.000 Euro absenken. Damit schaffen wir die Möglichkeit, auch kleinere Investitionen mit geförderten Krediten zu unterstützen und den Grünen Wandel schneller voranzutreiben.