Interview mit Tourismus-Staatssekretärin Susanne Kraus-Winkler
Tourismus-Staatssekretärin Susanne Kraus-Winkler gibt einen Rückblick auf die wichtigsten Themen des Jahres 2024.
Frau Staatssekretärin, das Jahr neigt sich dem Ende zu und der Tourismus hat sich erneut als starke und wachsende Branche erwiesen. Was konnte unterdessen in der Tourismuspolitik umgesetzt werden?
Wir haben in diesem Jahr tatsächlich gesehen, dass der Tourismus permanent wächst – wir haben mehr Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter als je zuvor, wir sind nachhaltiger geworden und sehen gleichzeitig ein Wachstum bei den Nächtigungen, wenn man von leichten Schwankungen absieht.
Als Tourismus-Staatssekretärin war es mir in diesem Jahr besonders wichtig, Maßnahmen zur Tourismusakzeptanz umzusetzen. Das betraf im Konkreten die gesetzliche Verankerung der jährlichen Messung der Tourismusakzeptanz in der Bevölkerung, einen Fördercall für "Balanced Tourism" sowie eine bessere Datengrundlage für tourismuspolitische Entscheidungen aber auch für die Tourismusentwicklung vor Ort zu schaffen. Zudem haben wir mit der OeHT ein neu gestaltetes Investitionsförderinstrument für die Branche entwickelt, um auch kleinere Investitionen in die grüne Transformation zu erleichtern.
Nicht zuletzt haben wir auch die Statuten der Österreich Werbung (ÖW) modernisiert und die Aufgaben der ÖW um die Bereiche Digitalisierung und Innovation erweitert. Damit haben wir die ÖW gemeinsam auch rechtlich zukunftsfit gemacht. Der Fokus auf Digitalisierung und Innovation soll helfen, dass die ÖW in Zukunft die Branche viel stärker unterstützen kann, was gerade in Zeiten der Transformation unerlässlich ist.
Schauen wir uns die Maßnahmen im Detail an. Wie konnte Österreichs Tourismus nachhaltiger gemacht werden?
Mir war es immer wichtig, eine breitere Datengrundlage für die Entwicklung des Tourismus zu schaffen. Dazu haben wir wie erwähnt die Messung der Tourismusakzeptanz neu aufgestellt. Die jährliche Messung wurde gesetzlich abgesichert und in den Aufgabenbereich der Statistik Austria überführt. Künftig wird es über 10.000 Befragungen geben – im Pilotprojekt waren es 2.500. Die Befragungen nach der neuen Methodik sind bereits gestartet, die neuen Zahlen liegen ab dem 2. Quartal 2025 zur Diskussion auf.
Gemeinsam mit dem Landwirtschaftsministerium haben wir ein regionales Informations- und Monitoringsystem (RESY) entwickelt. Es bietet insgesamt 30 Indikatoren in den Bereichen Demographie, Wirtschaft, Tourismus, Infrastruktur und Mobilität, Energie und Umwelt für rund 600 Regionen und 2.093 Gemeinden. Mit RESY haben wir nun ein wertvolles Informationsinstrument für die Gemeindeebene, die Verwaltung, die Planungsbüros bis hin zur Bevölkerung und damit ein gutes Werkzeug für die Zukunftsplanung, um die Qualität der österreichischen (Tourismus-)Regionen zu halten und auszubauen. Es steht jedem kostenfrei zur Verfügung, einfach www.resy-dashboard.at aufrufen.
Auch die Betriebe selbst müssen wissen, wie es um ihre Nachhaltigkeitsindikatoren steht, deshalb haben wir gemeinsam mit der OeKB und der OeHT im Sommer letzten Jahres den ESG Data Hub für den Tourismus gestartet. Nun liegen die ersten Ergebnisse und Kennzahlen der Betriebe am Tisch. Bei der ersten Auswertung der ESG-Kennzahlen im Tourismus zeigt sich bereits, wie intensiv die Hotellerie mittlerweile auf erneuerbare Energien setzt – allein im 4-Stern Bereich sind dies über 50 Prozent. Ebenso sieht man, dass der Anteil der weiblichen Führungskräfte, hier vor allem im 4-Stern Bereich, mit rund 57 Prozent sehr hoch liegt. Nicht zuletzt zeigen die Zahlen zu den Investitionen in die Beschäftigten deutlich, dass vielen Betrieben völlig klar ist, dass die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter ihre wichtigste Ressource sind. So investieren rund 75 Prozent der 4-Stern Betriebe vor allem in hochwertige Unterkünfte für ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Der Fokus auf ESG-Kennzahlen ist für den Erfolg des Tourismus unerlässlich. Dies nicht nur, weil Nachhaltigkeit in allen drei Dimensionen für unsere Gäste immer wichtiger wird, sondern auch, weil es das Image und die Resilienz der Hotellerie langfristig stärkt.
Um die Tourismusbetriebe stärker für Investitionen zu animieren, haben wir die gewerbliche Tourismusförderung weiterentwickelt. Seit Mai dieses Jahres kann für kleinteiligere Investitionen von 100.000 Euro ein OeHT-Investitionskredit von 70.000 Euro beantragt werden. Zudem haben wir einen "Grünen Tourismuskredit" für ökologisch-nachhaltige Investitionen mit erhöhtem Zinsenzuschuss von drei statt zwei Prozent geschaffen. Voraussetzung dafür ist, dass zumindest 20 Prozent der Gesamtprojektkosten die Energieeffizienz verbessern, Ressourcen einsparen oder Emissionen reduzieren müssen. Damit wollten wir ein Incentive für grüne Investitionen schaffen.
Wie wichtig die gewerbliche Tourismusförderung für die regionale Wertschöpfung ist, hat uns auch eine Kurzstudie der Tourism Investment Services GmbH (TIS) gezeigt. Die Investitionen im Rahmen der gewerblichen Tourismusförderung zeigen eine wesentliche wirtschaftliche Belebung der Regionen, von denen vor allem Gewerbe und Handel profitieren. Bei den analysierten Investitionsvorhaben wurde zu über 90 Prozent auf Waren und Dienstleistungen aus Österreich zurückgegriffen, womit die Wertschöpfung beinahe zur Gänze in den jeweiligen Regionen verbleibt.
Der Tourismus ist in einer Transformationsphase: Balanced bzw. Unbalanced Tourism, aber auch der Klimawandel beschäftigen die Branche.
Gerade aufgrund dieser Transformationsphase war es uns wichtig, einen Fokus auch auf die Tourismusforschung zu legen. Bundesminister Martin Kocher und ich haben dazu eine Studie präsentiert, die den Status quo der Tourismusforschung in Österreich widerspiegelt. Dabei hat sich gezeigt, dass der Tourismus in unterschiedlichen Themenbereichen bereits eine starke Tourismusforschung hat, diese jedoch koordiniert werden muss. Die Stärkung der Grundlagenforschung und die intensivere Vernetzung mit der Wirtschaft im Tourismus sind somit unabdingbar, um zukünftig erfolgreich zu agieren und die Wettbewerbsfähigkeit weiter auszubauen.
Europaweit haben wir in diesem Sommer unterschiedliche Ausprägungen von "Unbalanced Tourism" gesehen. In Österreich ist das glücklicherweise nur an einigen wenigen Punkten der Fall. Das ist vor allem gelungener Präventionsarbeit zu verdanken. Deshalb haben wir auch einen Fördercall zu "Balanced Tourism" aufgelegt, bei dem wir 17 Projekte unterstützen können, die regionale Konzepte für einen zukünftig ausbalancierten Tourismus erarbeiten und sicherstellen.
Der Klimawandel macht sich auch im alpinen Raum und hier vor allem bei der alpinen Infrastruktur sichtbar. Diese hat und hatte für den Tourismus schon immer eine besondere Bedeutung, da Wandern, Klettern und Bergsteigen für unsere Sommer-Gäste zu den beliebtesten Sportaktivitäten zählen. Seit über 40 Jahren unterstützen wir deshalb die alpine Infrastruktur mit Tourismusförderungsmitteln des Bundes. Angesichts der Herausforderungen des Klimawandels war es mir besonders wichtig, darüber hinaus einen Impuls zu setzen: Mit einer Sofortmaßnahme des Bundesministeriums für Arbeit und Wirtschaft konnten wir mit zusätzlichen drei Millionen Euro die Sanierung mehrerer, dringend renovierungsbedürftiger Schutzhütten ermöglichen.
Wie hat sich der touristische Arbeitsmarkt entwickelt?
Wir haben im österreichischen Tourismus immer mehr Beschäftigte und brauchen aufgrund des starken Qualitätsausbaus im Angebot und Service auch in Zukunft immer mehr Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. In diesem Jahr konnten wir die Saisonnierkontingente um 200 Plätze auf in Summe 4.485 Plätze aufstocken, im kommenden Jahr werden es 4.985 Plätze, also um knapp 500 Plätze mehr, sein. Damit können wir den Tourismusbetrieben dabei helfen, die Saisonspitzen besser abzudecken. Auch die Zahlen der Rot-Weiß-Rot-Karte entwickeln sich erfreulich: Mit 2.595 RWR-Karten gab es in diesem Jahr mehr als doppelte so viele RWR-Karten als 2023.
Um auch mehr Fachkräfte aus Drittstaaten anzuwerben, habe ich in Vertretung von Bundesminister Martin Kocher gemeinsam mit WKO-Generalsekretär Karlheinz Kopf ein Memorandum of Understanding mit Indonesien unterzeichnet. Das MoU mit Indonesien soll eine noch tiefergreifendere Zusammenarbeit bei der Fachkräftezuwanderung nach Österreich gewährleisten. Zudem zählt Indonesien zu einem wichtigen Partnerland in der Lehrausbildung und beim Pre-Check Register, das es qualifizierten Fachkräften in Mangelberufen aus Indonesien künftig erlauben soll, noch rascher eine Rot-Weiß-Rot-Karte zu erhalten.
Zusätzlich konnten wir die rechtlichen Bedingungen beim Sachbezug für Dienstwohnungen von Saisonniers modernisieren. Für Saisonbeschäftigte ist oftmals wichtig, dass ihnen eine arbeitsplatznahe Dienstwohnung zur Verfügung steht. Die Neuregelung des Sachbezugs bedeutet deshalb gerade für diese Beschäftigten im Tourismus mehr Netto vom Brutto. Ab dem nächsten Jahr fällt kein steuerpflichtiger Sachbezug mehr an, wenn Arbeitgeber ihren Beschäftigten eine arbeitsplatznahe Dienstwohnung mit einer Größe von bis zu 35 m² zur Verfügung stellen (bisheriger Grenzwert: 30 m²). Außerdem kommt es durch eine neue Methode bei der Berechnung dieser Grenzwerte auch bei größeren Unterkünften zu Steuerentlastungen, wenn solche von mehreren Beschäftigten in Form einer Wohngemeinschaft genutzt werden. Diese Regelung gilt nur, wenn es sich bei den Mitarbeiterwohnungen nicht um den Lebensmittelpunkt handelt.
Mit der Fortführung unserer Awarenesskampagne "Team Tourismus = starke Branche = deine Chance" konnten wir über den Tourismus als attraktiven Arbeitgeber weiteres Interesse für die Branche wecken.
Die Sommersaison ging mit einem neuen Topwert zu Ende. Wartet auch ein guter Winter auf uns?
Österreichs Tourismus hat mit 81,6 Millionen Nächtigungen eine Top-Sommersaison hinter sich. Damit konnten wir das bisher beste Ergebnis aus dem Jahr 2023 nochmals um 0,9 Prozent übertreffen. Österreich ist eine weltweit gefragte Tourismusdestination und diese beeindruckenden Zahlen zeigen, dass wir unseren Gästen eine hohe Servicequalität und ein gutes Preis-Leistungs-Verhältnis bieten.
Derzeit gehen wir von einer guten Wintersaison aus – die Wochenenden rund um die Feiertage sind bereits gut gebucht. Der Trend zur Kurzfristigkeit bei den Buchungen hält jedoch weiter an, was eine verlässliche Prognose schwierig macht. Der frühe Schneefall hat sicher dazu beigetragen, dass die Lust auf Winter und aufs Skifahren auch dieses Jahr groß ist. Wir sehen auch, dass das Interesse für Wintersport in den letzten Jahren in unseren Hauptherkunftsmärkten stetig gestiegen ist. Für die Ganzjahreszahlen 2024 erwarten wir, dass wir in etwa bei den Zahlen von 2019 liegen werden.
In diesem Sinne darf ich mich auch bei allen Verantwortlichen für die gute und erfolgreiche Zusammenarbeit bedanken und Ihnen allen ein frohes Weihnachtsfest und alles Gute für das neue Jahr wünschen!